Das Leben neuer Erdenbürger:innen kann herausfordernd sein: „Dreimonatskoliken“ und exzessives Schreien bringen Kinder wie Eltern an ihre Grenzen. Für einen guten Start lohnt es sich, genauer hinzuschauen.
Mag.a Silvia Lechner
Redaktion ApoKrone
Lange hat man Schreiattacken von Neugeborenen ausschließlich für den Ausdruck von Bauchschmerzen gehalten und mit schmerzhaften Luftansammlungen im Bauch erklärt. Mittlerweile sind sich Kinder- und Jugendärzt:innen einig, dass die Luft meist erst durch das Schreien dorthin gelangt, vor allem in den ersten 12 Lebenswochen, in denen die Selbstregulation noch nicht vollständig entwickelt ist. Die Anpassung an die Herausforderungen des täglichen Lebens erfordert aber auch die endgültige Darmreifung und die Entwicklung des Immunsystems, das im Kindesalter fast zur Gänze im Darm lokalisiert ist und als Teil der Darmbarriere eng mit dem Darmmikrobiom zusammenhängt.
Tatsächlich Bauchweh
Abhängig von der postnatalen Besiedelung mit kommensalen Darmbakterien lernt die Darmmukosa erst, zwischen Nahrungsproteinen und Krankheitserregern zu unterscheiden – die akute Gastroenteritis stellt eine der häufigsten Erkrankungen im Kindesalter dar. So gibt es Hinweise, dass Darmprobleme bei Säuglingen im Zusammenhang mit Entzündungsprozessen im Darm stehen können. Außerdem deuten Studien darauf hin, dass es Unterschiede im Darmmikrobiom von Babys mit und ohne Koliken gibt. Darüber hinaus interpretieren Kinder generelles Unwohlsein wie auch psychischen Stress oft als Bauchschmerzen, die somit ein recht unspezifisches und häufiges Symptom darstellen. Reflux, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und -allergien (Laktoseintoleranz, Kuhmilch-, Sojaeiweißallergie) sind hingegen ganz konkrete Ursachen, auch eine Verbindung mit Migräne wurde bereits diskutiert, und nicht zuletzt äußern sich natürlich auch übermäßige gastrointestinale Gasansammlungen als abdominelle Schmerzen.
Sanfte Hilfe
Eine ruhige bzw. beruhigende Umgebung trägt in den meisten Fällen dazu bei, die Schreiattacken zu verkürzen. So sollten Babys bereits im ruhigen Zustand viel getragen werden, Körperkontakt, gleichbleibende Routine, Rituale und die Stimmen der Eltern unterstützen bei der Selbstberuhigung. Eine aufrechte Haltung erschwert übermäßiges Luftschlucken beim Trinken, ansonsten schafft das obligatorische „Bäuerchen“ Abhilfe. Gegen Blähungen können eine sanfte Bauchmassage, „Fliegergriff“, forciertes Strampeln oder ein Wärmekissen versucht werden. Das Carminativum Simeticon wird in Form von Tropfen verabreicht und wirkt einer Schaumbildung im Kolon entgegen – man vermutet, dass es die Darmmuskulatur entspannt, die Durchblutung steigert und darüber hinaus mikrobielle Eigenschaften aufweist. Als Phytopharmaka werden Anis, Kümmel, Melisse und Kamille eingesetzt, die auch als fertige Babyteemischungen erhältlich sind. Bei der Entwicklung der empfindlichen Darmflora können Probiotika wie Lactobacillus reuteri und Lactobacillus acidophilus unterstützen. Diese haben den Vorteil, dass sie zudem die Dauer von Durchfallerkrankungen bei Kindern um bis zu einem Tag verkürzen können. Ansonsten helfen Säuglingen mehrere kleine Mahlzeiten bei der Verdauungsarbeit, auch so können unnötige Bauchschmerzen vermieden werden.