Bandscheibenvorfall

15.03.2024

Der Bandscheibenvorfall ist eine in vielen Fällen äußerst schmerzhafte Folge degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule. Symptome, die darauf hindeuten sind Rückenschmerzen, die in Arme oder Beine ausstrahlen sowie manchmal auch Gefühlsstörungen und Lähmungserscheinungen. In der Behandlung stehen meist Bewegungsübungen und schmerzlindernde Medikamente an erster Stelle – nur selten ist eine Operation erforderlich.

Ursachen
Was sind Bandscheiben und wie sind Bandscheiben aufgebaut?

Die Bandscheiben, machen rund 25 % der Gesamtlänge der Wirbelsäule aus. Ihre Dicke nimmt von der Hals- zur Lendenwirbelsäule hinzu. Sie liegen jeweils zwischen zwei Wirbelkörpern, erhöhen die Beweglichkeit der Wirbelsäule und dienen als „Stoßdämpfer“.

Damit Sie besser verstehen können, was bei einem Bandscheibenvorfall passiert, hier der grobe Aufbau einer Bandscheibe:

  • zentral gelegener Gallertkern
  • äußerer Faserring
  • zwei knorpeligen Deckplatten 
Ursachen
Was genau ist ein Bandscheibenvorfall?

Von einem Bandscheibenvorfall spricht man, wenn der Gallertkern der Bandscheibe den äußeren Faserring durchbricht. Dies kann langsam oder plötzlich geschehen. Durch das austretende Gewebe kann es zu einem Druck auf die Wurzeln der aus dem Rückenmark austretenden Nerven oder auf das Rückenmark selbst kommen.

Ursachen
In welchen Bereichen der Wirbelsäule kann ein Bandscheibenvorfall auftreten?

Neun von zehn Patienten leiden unter einem Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule (LWS). In etwa zehn Prozent der Fälle kommt es an der Halswirbelsäule (HWS) zu einem Bandscheibenvorfall. Im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) sind Bandscheibenvorfälle sehr selten – dann jedoch oft im unteren Bereich lokalisiert. 

Ursachen
Welche Faktoren begünstigen einen Bandscheibenvorfall?

Unsere Wirbelsäule altert mit uns. Erste Verschleißerscheinungen zeigen sich in der Regel ab 30 Jahren – zuallererst an den Bandscheiben. Ähnlich wie die Elastizität unserer Haut mit zunehmendem Alter sinkt, nimmt auch die Spannkraft der Bandscheiben ab. Diese verlieren sukzessive die Möglichkeit Nährstoff- und Wasserverluste auszugleichen und werden mit der Zeit immer poröser. Degenerative Prozesse machen die Bandscheiben anfälliger für Risse, ebenso wie fehlende Belastungsreize durch Inaktivität. Umgekehrt wirken sich aber auch starke oder wiederholte Überbelastung schädigend auf die Bandscheiben aus. Gefährdete Berufe finden sich deshalb häufig im Bau- und Transportgewerbe und in der Krankenpflege. Außerdem können Übergewicht und Fehlhaltung Druck auf die Wirbelsäule ausüben und so das Risiko eines Bandscheibenvorfalls erhöhen.

Alle Risikofaktoren auf einen Blick:

  • Alter
  • Bewegungsmangel
  • Übergewicht
  • Einseitige Belastung
  • Schwere körperliche Arbeit bzw. Überbelastung
  • Heben schwerer Gegenstände in biomechanisch ungünstiger Körperhaltung
  • Vibrationen beim Bedienen von Maschinen
  • Ruckartige Bewegungen
  • Genetische Vorbelastung
Symptome
Was sind typische Symptome eines Bandscheibenvorfalls?

Mögliche Symptome bei einem Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule:

  • Stechende Schmerzen im unteren Rücken
  • Die Schmerzen können über den Oberschenkel und das Kniegelenk bis in den Fuß ausstrahlen
  • Empfindungsstörungen (Taubheitsgefühl, Kribbeln, Ameisenlaufen)
  • Muskelschwäche oder Lähmungserscheinungen im Bereich der Beine
  • Verstärkung der Schmerzen durch Husten oder Niesen
  • Störungen beim Wasserlassen und Stuhlgang: Harn- oder Stuhlinkontinenz, aber auch Harnverhalt sind möglich (medizinischen Notfall!)

Mögliche Symptome bei einem Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule:

  • Nackenschmerzen
  • Die Schmerzen können in die Schulter oder zwischen die Schulterblätter ausstrahlen
  • Taubheitsgefühl in den Armen und/oder Fingern
  • Muskelschwäche und Lähmungserscheinungen im Bereich der Arme
  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
Symptome
Verursacht ein Bandscheibenvorfall immer Beschwerden?

Manchmal bleibt ein Bandscheibenvorfall gänzlich unbemerkt oder wird als Zufallsbefund entdeckt. Aus Untersuchungen mit Kernspintomographie weiß man, dass auch Menschen, die nicht unter Rückenschmerzen leiden, einen Bandscheibenvorfall haben können. Letztendlich hängt es sowohl von der Lage als auch vom Ausmaß des Bandscheibenvorfalls ab, ob und welche Symptome auftreten können.

Symptome
Was sind Alarmsignale bei einem Bandscheibenvorfall?

Treten Gefühlsstörungen im Bereich von After und Genitalien sowie der Innenseite der Oberschenkel auf oder kommt es zu plötzlichen Störungen beim Wasserlassen und Stuhlgang, sollten Betroffene umgehend ein Krankenhaus aufsuchen.

Symptome 
Was sollte man bei langandauernden Beschwerden beachten?

Wenn eine Behandlung mit Physiotherapie oder Medikamenten nach 6-12 Monaten nicht angeschlagen hat, man täglich an Beschwerden leidet und die Lebensqualität eingeschränkt ist, sollte man in jedem Fall einen Wirbelsäulenspezialisten aufsuchen!

Prof. Dr. Christian Bach

Facharzt für Orthopädie, Traumatologie und Wirbelsäulen-Spezialist in Wien

Behandlung 
Die 5 Top-Infos vom Hausarzt
  1. Schonung oder gar strenge Bettruhe sind bei einem Bandscheibenvorfall mittelfristig nicht sinnvoll. Dies würde nur zu einem Abbau von Muskulatur und zu Bewegungseinschränkungen führen.
  2. Betroffene sollten darauf achten, so aktiv wie möglich zu sein, auch wenn die Bewegungen zu Beginn etwas schmerzhaft sind.
  3. In den meisten Fällen muss bei einem Bandscheibenvorfall nicht operiert werden. Klassische Schmerzmittel wie Ibuprofen und Paracetamol sowie Physiotherapie bilden die Säulen der Therapie.
  4. Nur bei sehr starken und nicht anders beherrschbaren Schmerzen, sollten Medikamente aus der Gruppe der Opioide eingesetzt werden.
  5. Eine Operation ist bei einem Bandscheibenvorfall nur unter bestimmten Umständen, wie zunehmende Muskelschwäche, oder Störungen der Mastdarm- und Blasenfunktion notwendig, sollte dann aber frühzeitig zur Entlastung der betroffenen Nervenwurzel durchgeführt werden.
Behandlung 
Wann sollte ich auf jeden Fall zum Arzt gehen?
  • Bei neu aufgetretenen Rückenschmerzen, die in die Leiste oder ins Bein ausstrahlen
  • Schmerzen im Bein oder Rücken und gleichzeitiger Muskelschwäche des Beins oder Problemen, den Stuhl und Harn zu kontrollieren.
  • Bei Problemen den Fuß anzuheben (zum Beispiel beim Gehen). Man nennt das „Fußheberschwäche“
  • Bei Schmerzen im Rücken oder Bein, wenn gleichzeitig Fieber auftritt oder Sie sich insgesamt schlecht fühlen.
Behandlung
Wer hilft mir wie?
Alle im Überblick

Bei Rückenschmerzen ist Ihr Hausarzt bzw. Ihre Hausärztin die erste Anlaufstelle. Dieser wird einige einfache Untersuchungen durchführen, um zu prüfen, ob und wie dringend eine weitere Abklärung bei einem Facharzt oder einer Fachärztin für Neurologie, Orthopädie oder Neurochirurgie erfolgen sollte.

Ein Facharzt bzw. eine Fachärztin für Orthopädie oder Neurologie wird Sie gründlich untersuchen und Sie bei Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall zur weiteren Abklärung zu einem MRT (Magnetresonanztomographie) schicken. In den meisten Fällen erfolgt die Behandlung mit Schmerzmedikamenten, Physiotherapie und Bewegungstherapie.

Bei fortschreitenden, schweren Lähmungserscheinungen und Problemen Stuhl und Urin zu halten, sollten Sie schnellstmöglich von einem Neurochirurgen oder orthopädischen Chirurgen untersucht werden. In diesen Fällen sowie bei anhaltenden Beschwerden trotz medikamentöser Behandlung kann eine Operation notwendig sein.

Physiotherapie kann beim Bandscheibenvorfall sowohl bei sonst rein medikamentöser Therapie als auch nach einer allfälligen Operation und in der Rehabilitation zur Schmerzlinderung, Mobilisierung und Stabilisierung beitragen. Ihre behandelnde Haus- oder Fachärztin kann Ihnen dafür eine Verordnung ausstellen.

Falls aus fachärztlicher Sicht eine Operation angezeigt ist, erfolgt diese an einer neurochirurgischen oder orthopädisch-chirurgischen Abteilung durch spezialisierte Ärztinnen und Ärzte. Diese können Sie hinsichtlich der optimalen chirurgischen Methode beraten und kümmern sich auch um die Nachsorge.

Für einen anhaltenden Therapieerfolg nach Bandscheibenvorfall bzw. Bandscheibenoperation ist es wichtig, im Rahmen einer stationären oder ambulanten Rehabilitation gezielte Maßnahmen zur Nachsorge zu erlernen. Den Antrag auf Reha füllen Sie am besten gemeinsam Ihrem behandelnden Arzt aus.

Behandlung 
Wie wird ein Bandscheibenvorfall behandelt?

In mehr als 90 Prozent der Fälle ist eine konservative (also nicht-chirurgische) Therapie mit Medikamenten und physiotherapeutischen Maßnahmen ausreichend. Dabei geht es vor allem in der akuten Phase um die Linderung der Schmerzen und um das schrittweise Heranführen an eine normale Beweglichkeit. Die wichtigsten Behandlungsbausteine sind:

Behandlungsansätze bei akutem Bandscheibenvorfall:

  • NSAR und Paracetamol: In der Schmerztherapie bei einem akuten Bandscheibenvorfall kommen zunächst meist Medikamente aus der Gruppe der so genannten nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR), wie zum Beispiel Ibuprofen, Naproxen oder Diclofenac zum Einsatz. Diese Arzneimittel wirken schmerzstillend und entzündungshemmend, können aber auch Nebenwirkungen haben und zum Beispiel Magen und Niere schädigen.Auch der Wirkstoff Paracetamol kann gegen die Schmerzen eingesetzt werden. Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin kann Sie hinsichtlich des für Sie passenden Mittels beraten.
  • Bewegung spielt eine ganz zentrale Bedeutung in der Behandlung eines akuten Bandscheibenvorfalls. Dabei geht es zunächst um das Vermeiden von Bewegungsabläufen, die den Schmerz verstärken. Häufig finden die Patient:innen selbst auch Liegepositionen, in denen der Schmerz nachlässt. Nach etwa einer Woche ist meist wieder eine leichte körperliche Aktivität möglich. In der Physiotherapie werden in Abstimmung mit den behandelnden Ärzten oder Ärztinnen Anleitungen für diese schrittweise Rückkehr zu normaler oder nahezu normaler Bewegung gegeben.
  • Physikalische Therapieansätze. Wärme in Form von heißen Bädern, Rotlicht, Moor- oder Fangopackungen können die Durchblutung anregen und die angespannte Muskulatur lockern. Bei akuten Reizzuständen ist Kälte manchmal effektiver. Kühle Umschläge oder Kühlpacks können lokale Stoffwechsel- und damit auch Entzündungsprozesse dämpfen. Durch die Abkühlung kann außerdem das subjektive Schmerzempfinden herabgesetzt sein.
  • Medikamente zur Muskelentspannung: Mit einem Bandscheibenvorfall können starke Muskelverspannungen einhergehen. Muskelrelaxanzien sind Medikamente, die zur Entspannung („Relaxierung“) der Skelettmuskulatur beitragen können. In klinischen Studien konnte bisher aber kein ausgeprägter Nutzen bei einem Bandscheibenvorfall gezeigt werden.
  • Kortikosteroide („Kortison“). Die vorhandenen Studien zeigen, dass die Einnahme dieser Medikamente eher keinen ausgeprägten Nutzen hat. Zudem kann die Einnahme mit einer Reihe von Nebenwirkungen einhergehen.
  • Opioide: Diese Medikamente können bei einem Bandscheibenvorfall zur Anwendung kommen, wenn der Schmerz sehr stark ist und durch nicht-steroidale Antirheumatika oder Paracetamol nicht ausreichend gelindert werden kann. Zu bedenken ist dabei, dass Opioide eine Reihe möglicher Nebenwirkungen haben und zu Abhängigkeit führen können.
  • Injektionen: Die Injektion von Medikamenten zur Betäubung (so genannte Lokalanästhetika) und oder Medikamenten zur Entzündungshemmung (Kortikosteroide) in den betroffenen Bereich, kann erfolgen, wenn es in der akuten Phase trotz Behandlung mit Tabletten und Physiotherapie nicht zu einer ausreichenden Schmerzreduktion gekommen ist.
Behandlung 
Wann sollte eine Operation in Erwägung gezogen werden?

Auf jeden Fall so rasch wie möglich operiert werden sollte bei Bandscheibenvorfall mit

  • schweren Einschränkungen der Muskelkraft, die akut aufgetreten sind und in Ihrem Ausmaß zunehmen
  • Störungen der Funktion von Blase und Mastdarm
  • Empfindungsstörungen im Anal- und Genitalbereich

Eine Operation kann zudem in Erwägung gezogen werden, bei medikamentös nicht beherrschbaren Schmerzen und Einschränkungen der Muskelkraft, wenn auch die Bildgebung (MRT, CT) entsprechende Veränderungen zeigt.

Behandlung 
Welche Fragen sollte ich meinem Arzt bzw. meiner Ärztin in Hinblick auf die Bandscheibenoperation stellen?
  • Wie wahrscheinlich ist es, dass die Operation mir eine Besserung meiner Beschwerden oder sogar Schmerzfreiheit bring?
  • Wie lange werde ich brauchen, um mich von der Operation zu erholen?
  • Welche Risiken hat die Operation?
  • Womit muss ich rechnen, wenn ich mich nicht operieren lasse?
Behandlung
Welche Operationsverfahren werden Bandscheibenvorfällen eingesetzt?

Im Groben lassen sich folgende Verfahren unterscheiden:

Mikrochirurgischen Techniken: Die Verwendung eines Operationsmikroskops ermöglicht es Chirurgen, über einen kleinen Hautschnitt zur Wirbelsäule vorzudringen. Unter Schonung von Muskeln, Sehnen und Gelenken kann das vorgefallene Gewebe mikrochirurgisch entfernt werden. 

Endoskopische Verfahren: Bei dieser, ebenfalls sehr schonenden Operationsmethode werden natürliche Knochenöffnungen der Wirbelsäule für das Einbringen des Endoskops benutzt. Unter radiologischer Führungshilfe kann das Gerät behutsam durch den Nervenwurzelkanal navigiert werden. Das vorgefallene Bandscheibengewebe wird mit mikroskopisch feinen Fasszangen entfernt.

Versteifungsoperation und Einsatz einer künstlichen Bandscheibe: Manchmal reduziert ein fortschreitender Verschleiß der Wirbelsäule den Abstand zwischen den Wirbeln - die Wirbelsäule verkürzt sich und wird instabiler. Um ihre Stabilität bestmöglich zu erhalten und wichtige Strukturen wie das Rückenmark und die Aorta zu schützen, kann die Wirbelsäule operativ versteift oder eine künstliche Bandscheibe eingesetzt werden.

Behandlung
Wie lässt sich das Risiko eines Bandscheibenvorfalls verringern?

Diese Maßnahmen können zur Risikoreduktion beitragen:

  • Gewichtsreduktion
  • Körperlich aktiv sein
  • Rücken-schonendes Heben und Tragen
    • schwere Gegenstände immer aus der Hocke mit geradem Rücken heben
    • schwere Lasten immer nah am Körper tragen
  • Gezieltes Krafttraining zur Stärkung der Rückenmuskulatur (auch Bauchmuskulatur trainieren!)
(Bild: KMM)
(Bild: KMM)
(Bild: KMM)