Übergewicht und Fettleibigkeit betreffen immer mehr Erwachsene und Kinder in den westlichen Industriestaaten. Aus ärztlicher Sicht ist das deshalb ein Problem, weil damit eine Vielzahl von gesundheitlichen Risiken einhergeht. Umgekehrt bedeutet es aber auch, dass überschüssige Kilos loszuwerden enorme Vorteile bringt. Als Hausarzt ist es meine Aufgabe, Sie dabei zu unterstützen und zu begleiten.
Wissenschaftlich geprüft von Dr. Anton Wankhammer, Österreichische Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin
Bevor wir zu den Ursachen von Adipositas kommen, müssen wir uns ansehen, wie sie überhaupt definiert ist.
Die Einteilung des Körpergewichts erfolgt mit dem so genannten Body Mass Index, kurz BMI. Dabei wird das Gewicht in Verhältnis zur Körpergröße beurteilt. Sie können Ihren BMI mithilfe von kostenlosen Online-Rechnern bestimmen, zum Beispiel auf der Website der Deutschen Adipositas-Gesellschaft.
Mit dem Wert, den Sie dabei ermitteln, fallen Sie in eine der folgenden Kategorien:
BMI unter 18,5: Untergewicht
BMI zwischen 18,5 und 24,9: Normalgewicht (gesundes Gewicht)
BMI über 25: Übergewicht
BMI zwischen 25 und 29,9: Prä-Adipositas (Vorstufe zur Fettleibigkeit)
BMI von 30 oder darüber: Fettleibigkeit (Adipositas)
Die Bestimmung des BMI und Beurteilung anhand dieser Einteilung ist deshalb so wichtig, weil Ihr Körpergewicht einen Einfluss auf Ihre Gesundheit hat. Zu viele Kilos zu haben, bedeutet nicht automatisch, dass Sie krank sind, es bedeutet aber, dass Ihr Risiko für eine Reihe von Krankheiten erhöht ist. Fettleibigkeit, also ein BMI von 30 oder darüber wird allerdings bereits als eigenständige Krankheit definiert.
Vereinfacht gesagt: Zu Fettleibigkeit (Adipositas) kommt es, wenn Sie dem Körper über einen längeren Zeitraum mehr Energie in Form von Nahrung zuführen, als er verbraucht. Man spricht dann auch von einer positiven Energiebilanz.
Auch wenn Lebensstilfaktoren, wie Ernährung und Bewegung natürlich einen großen Einfluss auf das Entstehen von Fettleibigkeit haben, gilt: Fettleibigkeit ist kein Versagen oder schuldhafter Makel sondern eine Erkrankung, bei der das Körpergewicht nicht gut reguliert ist, genauso wie etwa Diabetes eine Erkrankung der Blutzuckerregulierung ist.
Die folgenden Faktoren haben einen Einfluss darauf, ob jemand fettleibig wird:
NICHT BEEINFLUSSBARE FAKTOREN
Die Gene
Es wurden bereits mehr als 500 Genabschnitte entdeckt, die einen Einfluss auf das Körpergewicht haben. Wenn ein Elternteil fettleibig ist, hat der Sohn oder die Tochter ein drei- bis vierfach erhöhtes Risiko, selbst krankhaft übergewichtig zu werden. Sind beide Elternteile betroffen, steigt das Risiko auf das Zehnfache.
Ereignisse und Faktoren in der Schwangerschaft und im Säuglingsalter
Fettleibigkeit oder Mangelernährung der Mutter, Schwangerschaftsdiabetes, aber auch die Ernährung im Kindesalter haben einen Einfluss auf Entstehung von Fettleibigkeit im Erwachsenenalter.
Das Alter
Vom 20. Bis zum 65. Lebensjahr erfolgt bei den meisten Menschen eine kontinuierliche Gewichtszunahme. Dahinter steckt ein ganz geringer täglicher Kalorienüberschuss, der sich über die Jahre zu einem großen Überschuss aufsummiert.
Schwangerschaft und Menopause
Manche Frauen nehmen in der Schwangerschaft mehr zu als sie nach der Geburt des Kindes abnehmen. In der Menopause nehmen viele Frauen vor allem am Bauch zu.
DURCH LEBENSSTILMASSNAHMEN BEEINFLUSSBARE FAKTOREN
Welchen Einfluss haben Lebensstilfaktoren auf das Entstehen von Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas)?
Wie bereits festgestellt, nimmt man zu, wenn die Energiezufuhr über einen längeren Zeitraum den Energieverbrauch übersteigt. Ernährung und körperliche Aktivität spielen dabei eine zentrale Rolle.
Ernährung
Die Art und Menge der zugeführten Nahrungsmittel haben natürlich einen großen Einfluss auf das Körpergewicht.Details dazu finden Sie im Abschnitt Ernährung.
Körperliche Aktivität
Bewegungsmangel, etwa durch einen sitzenden Beruf hat einen großen Einfluss auf die Entstehung von Übergewicht und Fettleibigkeit. So ist zum Beispiel ausgedehnter täglicher Fernsehkonsum ganz eng mit einem erhöhten Risiko für Fettleibigkeit und Diabetes verbunden.
Schlafmangel
Studien zeigen, dass zu wenig Schlaf, spätes Zubettgehen und Nachtarbeit mit Fettleibigkeit und Diabetes verknüpft sind.
Medikamente
Einzelne Vertreter aus den folgenden Medikamentengruppen können zu Gewichtszunahme führen. Sprechen Sie unbedingt mit Ihrem Arzt und setzen Sie kein Medikament ohne Rücksprache eigenständig ab! Es gibt in den meisten Fällen Alternativen aus der jeweiligen Wirkstoffgruppe, die nicht zu Gewichtszunahme führen.
Erkrankungen
Bei bestimmten hormonellen Störungen oder Erkrankungen kann es zu Gewichtszunahme kommen. Dazu gehört zum Beispiel die Unterfunktion der Schilddrüse, die so genannte Hypothyreose.
Fettleibigkeit (BMI über 30) kann unmittelbare negative Auswirkungen auf die Lebensqualität haben. So kann zum Beispiel die Atmung beeinträchtigt sein und als Folge der zu hohen Gewichtsbelastung kann es zu Gelenksschmerzen kommen. Viele Betroffene haben auch seelische Probleme, die mit der Fettleibigkeit verbunden sind.
Vor Allem aber erhöht Fettleibigkeit das Risiko für eine Reihe von Krankheiten und Gesundheitsproblemen:
Insgesamt kann Fettleibigkeit zu einer kürzeren Lebenserwartung führen – je ausgeprägter die Fettleibigkeit, desto stärker die negativen Auswirkungen auf die Lebenserwartung.
Lebensstiländerungen sind oft eine harte Nuss, aber wenn Sie Ihre Ziele realistisch setzen und sich entsprechende Unterstützung suchen, haben Sie eine gute Chance. Mehr Bewegung ist nicht nur gesund, sondern auch gut fürs Gemüt. Gesunde Ernährung kann Ihnen helfen sich insgesamt wohler zu fühlen. Es ist Ihr Körper und Sie sitzen am Fahrersitz, aber Ihr das NAVI-Team kann Sie dabei unterstützen.
Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin ist erste:r ärztlicher Ansprechpartner:in bei Fettleibigkeit und wird Sie auch bei der Gesundenuntersuchung darauf hinweisen, dass Sie durch Gewichtsverlust Ihr Risiko für zahlreiche Folgekrankheiten senken können. Es kann auch motivierend sein, gemeinsam Lebensstiländerungen zu vereinbaren.
Internist:innen mit Spezialisierung auf Stoffwechselerkrankungen können Sie bei Bedarf weitergehend untersuchen und individuelle Ursachen der Fettleibigkeit ermitteln. In besonderen Situationen kann Sie ein Facharzt bzw. eine Fachärztin für Chirurgie über die verschiedenen operativen Methoden und deren Vor- und Nachteile aufklären.
Der Diätologe oder die Diätologin kann mit Ihnen gemeinsam Ihre Ernährungsgewohnheiten unter die Lupe nehmen. Sie kann Ihnen deutlich machen, welche Ihrer Gewohnheiten eher zu Gewichtszunahme führen und Ihnen einen Plan für eine gesündere Ernährung geben.
Ein Psychotherapeut oder eine Psychotherapeutin kann Ihnen zum Beispiel mit verhaltenstherapeutischen Methoden bestimmte Muster in Ihrem Lebensstil aufzeigen, die mit Ihrer Fettleibigkeit in Zusammenhang stehen. Er oder sie kann Ihnen auch zeigen, wie Sie eine langfristige Änderung Ihres Ess- und Bewegungsverhaltens erreichen können.
Ihre Apotheke berät Sie wie immer bei der richtigen Einnahme der vom Arzt unter Umständen verschriebenen Medikamente und kann Ihnen Empfehlungen für pflanzliche Heilmittel geben, die sich positiv auf Ihr Gewicht auswirken.
In einer Spezialambulanz für Adipositas können Sie – nach Zuweisung durch Ihren Hausarzt bzw. Ihre Hausärztin oder Ihren Internisten bzw. Ihre Internistin - unterschiedliche Fachärzte und Fachärztinnen und Vertreter/innen anderer Berufsgruppen zu den für Sie geeigneten Therapiemaßnahmen beraten und diese teilweise auch vor Ort durchführen. Der Einstieg findet bei den meisten Ambulanzen über eine Adipositas-Sprechstunde statt.
Ziel einer Adipositas-Kur ist es, dass Sie Ihren Lebensstil nachhaltig ändern, mit gesünderer Ernährung und mehr Bewegung. Auch psychotherapeutische Methoden können bei der 3-wöchigen Kur zum Einsatz kommen. Der Antrag für die Kur wird gemeinsam mit dem Hausarzt oder der Hausärztin bzw. dem/der behandelnden Facharzt oder Fachärztin ausgefüllt.
Kurzfristige Diäten und mehr Bewegung über einen bestimmten Zeitraum können natürlich dazu führen, dass Sie abnehmen. Allerdings werden Sie die verlorenen Kilos sehr wahrscheinlich wieder zunehmen, wenn Sie wieder Ihre normalen Verhaltensmuster aufnehmen.
Besser sind längerfristige Änderungen Ihrer täglichen Gewohnheiten, auch wenn diese nur klein sind. Beginnen Sie mit einer kleinen Maßnahme, zum Beispiel Stiegen steigen statt mit dem Aufzug fahren. Wenn Sie dies soweit etabliert haben, dass es zu einer festen Gewohnheit wurde, starten Sie mit der nächsten kleinen Maßnahme, zum Beispiel früher zu Bett zu gehen.
Da bei Muskelarbeit jeder Art Kalorien verbrannt werden, ist klar, dass Bewegung auch dabei helfen kann, bei Übergewicht oder Fettleibigkeit überschüssige Kilos zu verlieren. Darüber hinaus hat Bewegung in Form von Ausdauer- oder Krafttraining eine Vielzahl weiterer positiver Gesundheitseffekte:
Pro Woche sollten Sie sich mindestens 150 Minuten körperlich bewegen. Dazu zählt schon zügiges Gehen in einem Tempo von 5-6 km/h. Bei intensiverem Ausdauertraining kann die wöchentliche Gesamtdauer etwas reduziert werden. Am besten kombinieren Sie das Ausdauertraining mit zweimal wöchentlich moderatem Krafttraining.
Medikamente zur Gewichtsreduktion können sinnvollerweise bei Personen eingesetzt werden, die mit Diät und Bewegung keine bzw. keine ausreichende Gewichtsreduktion geschafft haben und deren Body-Mass-Index (BMI) entsprechend hoch ist:
Die Medikamente sollten jedenfalls immer als Unterstützung der Lebensstilmaßnahmen und in Kombination mit diesen eingesetzt werden. Dabei müssen natürlich in Absprache mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin mögliche Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit Ihren anderen Medikamenten berücksichtigt werden.
Liraglutid
Liraglutid gehört zur Arzneimittelgruppe mit dem schwer zu merkenden Namen GLP-1 Rezeptor Agonisten. Das Mittel wird 1 x täglich subkutan (unter die Haut) gespritzt. Liraglutid wirkt über eine Hemmung des Appetits sowie eine verzögerte Magenentleerung.
Studien haben gezeigt, dass damit ein Gewichtsverlust von durchschnittlich 10 Prozent möglich ist.
Mögliche Nebenwirkungen sind unter anderem Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Verstopfung.
Ein weiterer Vertreter dieses Wirkstoffklasse, die Substanz Semaglutinid ist in Österreich nur als Mittel gegen Diabetes zugelassen.
Orlistat
Orlistat ist schon deutlich länger auf dem Markt. Das Mittel hemmt die Aufnahme von Fett im Darm. Es werden nur etwa 2/3 der Nahrungsfette aufgenommen, der Rest bleibt im Darm und wird unverdaut ausgeschieden. Sollte immer mit einer fettarmen Ernährung kombiniert werden, weil sonst Fettstühle mit Blähungen und Bauchschmerzen auftreten können.
Naltrexon/Bupropion
Naltrexon wird üblicherweise in der Therapie der Alkohol- und Opiatabhängigkeit eingesetzt, Bupropion kommt in der Raucherentwöhnung und der Behandlung von Depressionen zum Einsatz. Die Fixkombination der beiden Substanzen kann zu Gewichtsabnahme führen.
Mögliche Nebenwirkungen sind unter anderem Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung und Schlaflosigkeit.
Bitte besprechen Sie gegebenenfalls mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin, ob eines dieser Medikamente für Sie in Frage kommt und nehmen Sie es unbedingt wie vom Arzt bzw. von der Ärztin empfohlen ein.
Die operativen Behandlungsmöglichkeiten bei Adipositas werden auch unter dem Begriff „bariatrische Chirurgie“ zusammengefasst. Grundsätzlich können sie ab einem Body Mass Index (BMI) von 40 oder einem BMI von 35, wenn gleichzeitig Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes mellitus Typ 2 vorliegen, zur Anwendung kommen, wenn zuvor nicht-operative Methoden ohne Erfolg eingesetzt wurden.
Mit der bariatrischen Chirurgie lassen sich über einen Zeitraum von 10 Jahren oder länger je nach Methode etwa 50% der überschüssigen Kilos abnehmen.
Nach dem Eingriff kommt es zu Änderungen bei der Nahrungsaufnahme. Es können nur mehr kleine Bissen gegessen werden und es stellt sich sehr rasch ein Völlegefühl ein.
Wichtig ist zu bedenken, dass durch die Operation die Aufnahme von verschiedenen Nährstoffen beeinträchtigt ist. Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine, Mineralstoffe und Eiweiß müssen daher unbedingt regelmäßig eingenommen werden. Ihr Arzt oder Ihre Ärztin wird auch regelmäßig Blutabnahmen durchführen, um einen möglichen Mangelzustand möglichst frühzeitig zu erkennen.
Welche Nahrungsmittel Sie zu sich nehmen und wie viel jeweils davon hat natürlich einen großen Einfluss auf Ihr Körpergewicht. Entscheidend ist, dass Sie es längerfristig schaffen, weniger tägliche Kalorien zu sich zu nehmen, als Ihr Körper an Energie verbraucht.
Kurzfristige Diäten und mehr Bewegung über einen bestimmten Zeitraum können dazu führen, dass Sie abnehmen. Allerdings werden Sie die verlorenen Kilos sehr wahrscheinlich wieder zunehmen, wenn Sie wieder Ihre normalen Verhaltensmuster aufnehmen.
Besser sind längerfristige Änderungen Ihrer täglichen Gewohnheiten, auch wenn diese nur klein sind. Beginnen Sie mit einer einzelnen Maßnahme, zum Beispiel den Alkoholkonsum halbieren. Wenn Sie das soweit etabliert haben, dass es zu einer festen Gewohnheit wurde, starten Sie mit der nächsten kleinen Maßnahme, etwa jeden Tag eine Handvoll Nüsse essen.
Experten empfehlen jedenfalls eine Ernährung mit viel
Dafür sollten Sie sich einschränken bei
Mittelmeerdiät
Bei der Mittelmeerdiät stehen hauptsächlich Früchte, Gemüse, Bohnen, Nüsse und Olivenöl, hin und wieder auch Fisch auf dem Speiseplan. Rotes Fleisch, also vor allem Rind und Schwein, wird hingegen kaum gegessen.
Nutzen für die Gesundheit: Diese Ernährungsform kann möglicherweise das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall sowie für einige Krebsarten reduzieren.
Pflanzenbasierte Diät
Dazu gehören die verschiedenen Arten vegetarischer Ernährung, also
Nutzen für die Gesundheit: Fleischverzicht reduziert wahrscheinlich das Risiko für Fettleibigkeit, Herzerkrankungen, hohen Blutdruck, Diabetes sowie einige Krebsarten.
Fettarme Diät („Low Fat Diet”)
Wer weniger Kalorien in Form von Fett zu sich nimmt, hat es unter Umständen leichter, ein bereits bestehendes niedrigeres Gewicht beizubehalten. Was das Abnehmen selbst betrifft, so ist diese Methode anderen Diätformen wahrscheinlich nicht überlegen.
Nutzen für die Gesundheit: Diese Diätform bringt eher keinen zusätzlichen Vorteil für die Gesundheit.
Zu weiteren populären Diätformen, wie Low-Carb-Diät (kohlehydratarme Ernährung, Keto-Diät (sehr kohlehydratarme Diät) oder Gluten-freie Diät (Gluten ist der Eiweißanteil von Getreide) gibt es aktuell keine zuverlässigen Studiendaten, was natürlich nicht bedeutet, dass sie nicht wirken können.
In zahlreichen Studien wurden die verschiedenen Diäten miteinander verglichen. Dabei hat sich keine Diät als gegenüber den anderen Methoden überlegen erwiesen. Jede Diät, die dazu beiträgt, dass Sie weniger Kalorien zu sich nehmen, kann Ihnen helfen, abzunehmen. Entscheidend ist, dass Sie langfristig dranbleiben.
Dr. med. Christian Maté
Arzt der Allgemeinmedizin